Das Schlusswort (zum Buch: Der Traum von der Klimarettung...)
Die Erde erwärmt sich seit mindestens 15.000 Jahren. In den letzten hundert Jahren hat sie dabei an Tempo zugelegt. Das steht fest. Viele Klimaforscher glauben, die Kausalursache der Erderwärmung in den CO2-Emissionen der Menschheit gefunden zu haben. Es gibt aber auch Forschungsergebnisse, die diesen Zusammenhang fraglich erscheinen lassen. Beide Sichtweisen sollte man ernst nehmen. Auch wenn die aktuelle Klimaforschung einen menschengemachten Klimawandel als erwiesen erachtet, zeigen andere Klimaereignisse in der Erdgeschichte, dass heiße Phasen oft auch ganz ohne menschlichen Einfluss zustande gekommen sind. Niemand kann mit letzter Sicherheit ausschließen, dass es diesmal wieder so ist.
Die Physik erlaubt nicht, zwischen diesen beiden Szenarien endgültig zu entscheiden. Ganz unzweifelhaft beeinflussen infrarot-aktive Gase den Wärmehaushalt der Erde. Es ist aber nicht eindeutig, wie groß dieser Einfluss ist. Zu dieser Unsicherheit kommt die Schwierigkeit, dass es prinzipbedingt nicht möglich ist, aus physikalischen Basisparametern das irdische Klima bis ins Detail zu errechnen. Deswegen ist es anmaßend, wenn jemand ausgerechnet haben will, wie das zukünftige Klima oder gar das Wetter ausfallen wird. Selbst die besten Computermodelle können dazu lediglich mehr oder weniger plausible Vermutungen artikulieren; sie liefern aber keine Gewissheiten.
Wegen dieser Unberechenbarkeit kann auch niemand garantieren, dass die angedachten Klimaschutzmaßnahmen erfolgreich sein und rechtzeitig wirken werden. Wir wissen nicht einmal, ob wir das Klima überhaupt damit in unserem Sinne beeinflussen können. Wir hoffen das nur. Sämtliche Klimaschutzmaßnahmen sind ein Schuss ins Blaue. Eine weltweite, rasche und weitgehende Vermeidung von CO2-Emissionen könnte die Erderwärmung vielleicht aufhalten. Vielleicht sind alle Anstrengungen aber auch vergeblich.
Es erscheint dennoch richtig, auf Dauer von fossilen Brennstoffen Abstand zu nehmen. Deren weitere exzessive Nutzung birgt nicht nur das Risiko des globalen Klimawandels. Man darf auch nicht vergessen, dass die Vorräte an fossilen Brennstoffen ohnehin endlich sind. So oder so wird die Menschheit eines Tages davon Abschied nehmen müssen. Warum also nicht jetzt?
Der Wunsch – oder der Traum – der Politik ist, dass Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral sein wird und dass zumindest der Strom ab 2030 ohne Kohle erzeugt werden wird. Aus rein technischer Sicht erscheint das machbar. Diese Transformation der Energiewirtschaft bedeutet aber einen gewaltigen Kraftakt, von dem bisher bestenfalls Ansätze zu erkennen sind. Biomasse, Geothermie und Wasserkraft haben bei uns kein nennenswertes Ausbaupotential. Kernkraftwerke sind einer angstgetriebenen, fundamentalistisch grünen Ideologie zuliebe tabu, Fusionsreaktoren existieren nur als Vision. Also müssen allein in Deutschland weit über hunderttausend riesige Windräder und ein paar tausend Quadratkilometer Solarpaneele für Öko-Strom aufgestellt werden. Dessen Volatilität erzwingt eine gigantische Energie-Infrastruktur mit Tausenden von Wasserstoff-Fabriken und den dazugehörigen Gaskraftwerken; von Speichern und Versorgungsnetzen einmal ganz abgesehen. Alternativ könnte man zwar Energie in Form von Wasserstoff oder Ähnlichem importieren und/oder fossile oder nukleare Kraftwerke in Reserve halten. Paradoxerweise wären das aber weit mehr und größere klassische Kraftwerke, als heute schon in Betrieb sind. Von dieser Infrastruktur ist bislang nichts realisiert und nur wenig geplant. Schon deswegen erscheint die Klimaneutralität Deutschlands bislang als blanke Utopie.
Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass eine vollendete Energiewende die Umwelt insgesamt keineswegs schonen, sondern weiter ruinieren wird: Eine mit Windrädern zugestellte Nordsee, an Land Windparks von der Größe Sachsens, Windräder über Naturschutzgebieten, Gerüste mit schimmernden Solarpaneelen und Solarthermen auf jedem Dach oder auf ehemaligem Grünland, Wasserstoff-Fabriken und Wasserstoff-Großtanks mit Reservekraftwerken allerorten, mit Oberleitungen dekorierte Straßen, vom Rest- und Totholz befreite, ausgedünnte Wälder, Silomais- und Chinagrasfelder bis zum Horizont… Das ist keine schöne Vorstellung. Das ist ein Albtraum! Da kann es auch kein Trost sein, wenn Teile dieser umweltschädigenden Energie-Industrie statt bei uns in fernen Wüsten aufgebaut werden sollen. Auch einsame Wüsten sind Natur.
Zu den technischen Herausforderungen kommen die finanziellen. Ob eine schnelle Energiewende finanzierbar ist oder ob sie die Wirtschaftskraft Deutschlands überfordern wird, hat meines Wissens noch niemand zu Ende durchgerechnet. Wir merken aber gerade, dass die überstürzte Energiewende Deutschland in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt, ohne dass irgendein Nutzen daraus erwachsen würde. Von der aktuellen Politik werden die Wirtschaftsprobleme kleingeredet und von den Klimaaktivisten schlichtweg ignoriert. Dabei droht der Traum von der Klimarettung in Deutschland bereits jetzt an der wirtschaftlichen Realität zu scheitern.
Es kommt aber noch schlimmer. Denn das Ganze nützt nicht einmal etwas. Wir könnten hier in Deutschland den Ausstoß von Treibhausgasen unter Schmerzen fast auf null senken. Am Weltklima und auch am hiesigen Klima kann das nichts, wirklich gar nichts ändern. Deutschlands Anteil an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen beträgt schon heute weniger als zwei Prozent. Selbst wenn wir von heute auf morgen überhaupt kein CO2 und kein Methan mehr emittieren würden, würde das nicht nur nichts nützen, sondern durch das weitere weltweite Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum und den damit weiter steigenden Energiebedarf schon in wenigen Monaten kompensiert werden.
Insofern ist es fast schon erheiternd, wenn wie eingangs [im Buch!] erwähnt das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, man müsse sich in Deutschland mit der Energiewende mehr beeilen, um die Grundrechte der nachfolgenden Generationen zu sichern (6). Offensichtlich haben sich die Richter weismachen lassen, die Klimarettung hinge von uns Deutschen ab. Das ist naiv! Wir können uns national beeilen, wie wir wollen, oder auch hinterherhinken: Dem globalen Klima ist beides völlig gleichgültig. Deswegen müssen wir die Transformation in eine CO2-freie Zukunft mit Augenmaß angehen. Der volkswirtschaftliche Nutzen, die technische Machbarkeit und die gesellschaftliche Akzeptanz müssen Priorität haben. Sie geben das Tempo vor, nicht die grünen Visionen einer heilen Welt mit immer schönem, ausgeglichenem Wetter.
Klima spielt sich global ab. Um dem Klimawandel wirksam zu begegnen, muss die ganze Welt bei der Transformation der Energiewirtschaft an einem Strang ziehen. Darauf hat Deutschland keinen Einfluss. Global gesehen hat es sich in den letzten Jahren in die politische und wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit manövriert. Geschäfte mit Deutschland taugen nicht mehr als Druckmittel, um andere dazu zu bewegen, unser Wertesystem zu adaptieren. Wenn schon deutsche Appelle an die Einhaltung von Menschen- oder auch Frauenrechten in fremden Landen unerhört bleiben, wird das bei Aufforderungen zu mehr Klimaschutz nicht anders sein: Mehr als ein Lächeln sollte niemand erwarten.
Gerade die bevölkerungsreichen Länder, wie Indien oder die Volksrepublik China, erweisen sich bei der Klimarettung als zögerlich. Das hat gute Gründe. Das Pro-Kopf-BIP Chinas beispielsweise hat sich in den letzten vierzig Jahren zwar vervierzigfacht. Um zu den führenden Industrienationen aufzuschließen, muss es sich aber noch einmal mindestens vervierfachen. Dabei wird auch der Energiebedarf des Landes weiter ansteigen. Dieser enorme Zusatzbedarf lässt sich aber am leichtesten mit den vorhandenen fossilen Energieträgern decken. Nicht anders sieht es in zahlreichen Schwellen- und Entwicklungsländern aus. Und die vielen kriegführenden Länder haben auch gerade keine Zeit, das Klima zu retten. Es daher wäre eine faustdicke Überraschung, wenn sich die ganze Welt jetzt mit der Klimarettung beeilte.
Das IPCC ist pessimistisch und sieht voraus, dass die weltweiten Treibhausgas-Emissionen in den nächsten Jahren noch drastisch steigen werden (59). Und als ob dieser Pessimismus noch einer Bestätigung bedurft hätte, wurde im Abschlussprotokoll der Weltklimakonferenz COP27 Ende 2022 ein Ausstieg aus der Erdöl- und Erdgasnutzung nicht einmal mehr erwähnt (255).
Wir wachen auf und reiben uns die Augen:
Der Traum von der Klimarettung ist ausgeträumt.
Es will offiziell niemand wahrhaben, aber das Pariser Klimaziel ist Utopie! Die globale Klimarettung ist gescheitert, bevor sie richtig angelaufen ist. Und auch die deutsche Energiewende droht zu scheitern – am Geld.
Deswegen müssen wir jetzt erst recht handeln. Aber nicht ideologisch verbissen, sondern pragmatisch. Die deutsche Politik muss ihre klima-grünen Scheuklappen ablegen. Die reine Lehre von der Klimarettung, die „Null-CO2-Strategie“, ist aufwendig, teuer, kostet Zeit, und ist weltweit vorerst nicht umsetzbar. Die Atomkraft-Nein-Danke-Ideologie erschwert unsere nationale Energiewende zusätzlich. Es ist ein Zeichen von Sturheit und Verblendung, von Borniertheit, Dummheit und Arroganz, wenn jemand beide Dogmen auf Biegen und Brechen durchboxen will, um damit etwas retten zu wollen, was sich so gar nicht retten lässt.
Unsere öffentlich-rechtlichen Medien dürfen auch aufhören, bei jeder Wetterkapriole den klimatischen Weltuntergang zu bejammern. Diese Hysterie hilft niemandem. Den Klimawandel hat inzwischen jeder bemerkt. Aber weil wir ihn nicht aufhalten können, müssen wir wenigstens die absehbaren Folgen für uns zu mindern versuchen. Zielführend wäre es, die zur Verfügung stehenden Mittel in konkrete Abwehrmaßnahmen zu stecken: gegen Hochwasser, gegen Stürme, gegen Starkregen, gegen Wassermangel und Dürren, gegen Waldbrände; eben gegen alles, was uns die Klimaforscher an Klimafolgen prophezeien. Und das lokal und regional, basierend auf fundierten Risikoanalysen. Für Anwohner von Ahr, Rhein und Nordsee macht es mehr Sinn, jetzt in den Hochwasserschutz zu investieren und die gefährdeten Uferbereiche zu räumen, als ein paar Solarzellen aufs Dach zu schrauben oder eine Wärmepumpe vors Haus zu stellen. Die schützen hypothetisch in ferner Zukunft, der Hochwasserschutz wirkt faktisch hier und heute. Und ein Land- oder Forstwirt investiert besser jetzt schon in Bewässerungsanlagen als in eine Solarfarm auf seinem Grund.
Wir müssen zweigleisig fahren! Wir müssen vordringlich in Maßnahmen gegen die unabwendbaren Klimafolgen investieren. Und zwar jetzt und gleich. Und wenn dann noch Geld übrig ist, kann man es in erneuerbare Energien stecken. Aber in dieser Reihenfolge. Diese pragmatische Herangehensweise hätte den Vorteil, dass sie unmittelbar wirkt, während wir bei der Umsetzung der reinen Klima-Lehre nicht einmal sicher sein können, dass unsere Windräder und Wasserstoff-Fabriken in ferner Zukunft überhaupt etwas am globalen Klima und am Wetter ändern werden. Hier steht Pragmatismus gegen das Prinzip Hoffnung.
Bei allem dürfen wir nicht vergessen, dass der Klimawandel in unseren Medien und in der Politik zwar allgegenwärtig ist, er aber andere, mindestens ebenso wichtige Themen nur in den Hintergrund drängt. Die Menschheit muss nicht nur beim Klimawandel an einem Strang ziehen. Sie muss den weltweiten Hunger und die verbreitete Armut endlich effizient bekämpfen. Sie muss zukünftig schonend mit den knapper werdenden Ressourcen umgehen. Sie muss diese fair unter sich aufteilen. Sie muss auch sehr viel mehr für den klassischen Umweltschutz abseits vom Klimawandel tun. Sie muss der Natur Lebensräume zurückgeben und darf sie nicht für eine angeblich ökologische Energieerzeugung vernichten. Und die Menschheit wird das Ende des eigenen Wachstums in den Griff bekommen müssen: entweder freiwillig und kontrolliert oder erzwungenermaßen: dann aber anarchisch-chaotisch. Wir haben die Wahl. Wir sitzen in einem Boot. Die menschliche Gesellschaft kann ihr Leben und ihr Überleben nur gemeinsam sicherstellen. Sie muss ihre Probleme gemeinsam lösen. Sie darf sich nicht aufspalten und bekriegen.
Aber genau das passiert. Weltweit kommen zunehmend Populisten, Demagogen und Despoten an die Macht, die ihre pseudonationalen Egoismen als heilbringende Zukunftsvisionen verkaufen. Das hatten wir neulich schon einmal, und es endete in einer Katastrophe – im Zweiten Weltkrieg. Es sieht so aus, als ob die Menschheit nichts daraus gelernt hat und geradewegs auf die nächste Katastrophe zusteuert; und das ist nicht die Klimakatastrophe.
Sollte es sich bewahrheiten, dass sich die Menschen lieber weiter gegenseitig umbringen, als zusammenzuarbeiten, dann wird es der Erde so ergehen wie den beiden Planeten in meinem Lieblingswitz:
Treffen sich zwei Planeten:
„Nanu, du siehst aber schlecht aus. Wie geht‘s?“
„Ach, ganz übel……. Ich hab‘ Homo sapiens!“
„Oh weh. Lästig. Geht aber von allein wieder weg.“
Es soll nur keiner sagen, es lag am Klimawandel.
Eberhard Därr, 2024
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Quellen:
59. IPCC. IPCC-Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung. IPCC – Downloads und Berichte. [Online] 2022. https://www.de-ipcc.de/media/content/Hauptaussagen_IPCC_SR15.pdf.
255. UNFCC, United Nations Framework Convention on Climate Change. COP27 - Sharm-El-Sheikh Climate Change Conference. 2022.
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